Es war der erste Februar, als der TV-Moderator und „Mann fürs Wetter“, Phil Connors, zusammen mit seiner Produzentin Rita und dem Kameramann Larry von Pittsburgh aus ins nahegelegene Punxsutawney aufbrach, wo am nächsten Tag traditionell das Mumeltier Phil nach den Wetteraussichten befragt werden sollte. Der Brauch war von deutschsprachigen Einwanderern mitgebracht worden, und so war es seit 1887 einem Murmeltier (das stets Phil genannt wurde) vorbehalten, zu weissagen, ob tatsächlich der Frühling naht oder der nordamerikanische Winter die Region für weitere sechs Wochen in seinem frostigen Griff halten würde.
Der Zyniker Connors machte aus seiner Abneigung gegen diese Reise in die Provinz von Anfang an kein Geheimnis. Die Kleinstadt mit den seiner Meinung nach „engstirnigen“ Menschen schien einfach keine Inspiration zu sein. Sein Plan war es also, diesen Morgenreport über den Murmeltier-Tag in Punxsutawney schnell hinter sich zu bringen, um für die Abendnachrichten um 17 Uhr wieder in Pittsburgh zu sein. Aber das Leben hatte andere Pläne für den misanthropischen Wettermann.
Ein plötzlicher Schneeeinbruch macht die Abreise unmöglich und eine weitere Übernachtung notwendig. Am nächsten Morgen wird Connors seltsamer Weise von seinem Radio-Wecker mit demselben Lied – nämlich Sony & Cher‘s „I Got You Babe“ – wie schon am Vortag geweckt. Und noch bizarrer wird es, als Connors feststellt, dass er sich ein weiteres Mal im Murmeltier-Tag, also dem 2. Februar, wiederfindet. Genau damit beginnt der weltbekannnte Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (engl. „Groundhog Day“) mit Bill Murray und Andie MacDowell.
Der Film war so populär, dass seine Geschichte weltweit in den Sprachgebrauch vieler Menschen eingegangen ist und eine Situation beschreibt, die sich immer und immer wieder zu wiederholen scheint, aus der es fatalerweise kein Entrinnen zu geben scheint. Selbst ins englische Oxford-Dictionary wurde der „Murmeltier-Tag“ aufgenommen und als eine Situation beschrieben, „in der eine Reihe unerwünschter, eintöniger, unangenehmer oder langanhaltender Ereignisse auftreten und auf exakt die gleiche Weise immer wiederzukehren scheinen“.
Und genau in einer solchen Lage befinden wir uns offensichtlich alle, während der immer noch anhaltenden COVID-Pandemie. Deshalb habe ich mich gefragt, welche Lektion(en) dieser Film für uns am Ende bereithalten könnte. Und ja, ich glaube fest daran, dass es einige großartige Lehren in dieser Geschichte gibt, die uns ein Kompass für unsere momentane Gegenwart sein können.
Denn so, wie wir es wohl alle getan hätten, versucht Phil Connors natürlich dem unendlichen Kreislauf irgendwie zu entkommen. Zunächst hat er noch seinen Spaß an dem absurden Ereignis und benimmt sich – natürlich für den nächsten Tag folgenlos – so unverantwortlich und fies, wie er es sich wohl immer schon gewünscht hätte. Doch die Scharaden, darunter unkontrolliertes Essen, ein Überfall auf einen Geldtransporter oder der Raub von Murmeltier und Namensvetter Phil werden schnell fad. Also versucht er sich auf jede erdenkliche Weise aus dem Leben zu befördern, doch immer wieder wacht er am nächsten Tag in seinem Bett auf … und lernt so seine erste Lektion:
1. AKZEPTIERE!
In einem Gespräch mit seiner Produzentin Rita, in dem er die sich ständig wiederholende Zeitschleife beschreibt, ermutigt diese Connors, die Situation so zu akzeptieren, wie sie ist, und sogar zu versuchen, sie als Segen und nicht als Fluch zu betrachten. Diese Gespräche werden letztlich zu einem wahren Game-Changer für den Berufs-Zyniker, denn er beginnt, seinen endlosen Tagen eine neue Bedeutung zu verleihen, indem er anfängt, deren positive Möglichkeiten zu erkunden.
2. SPIELE!
In seinen zunächst ebenfalls oberflächlichen Versuchen, die Liebe von Rita zu gewinnen, beginnt er irgendwann auf sehr unbeschwerte und auf spielerische Weise neue Fähigkeiten zu erlernen, um die Kollegin zu beeindrucken. So wird er zum Beispiel Experte für das Modellieren von Eisskulpturen, beginnt Klavier zu spielen, lernt Französisch und taucht in die Welt der romantischen Poesie ein. Überraschenderweise berührt er damit nicht nur Ritas Herz, sondern auch die seines TV-Publikums und sogar jene der konkurrierenden Fernsehteams.
3. FÜRSORGE!
Nachdem er sein Schicksal akzeptiert und begonnen hat, den Murmeltier-Tag als Lernspiel des Lebens zu genießen, beginnt er, sich wirklich und authentisch um die Menschen um ihn herum zu kümmern. Natürlich auch, weil er nach unendlichen Tagen irgendwann die Geschichte fast jedes seiner Einwohner und somit auch ihre Sorgen und Ängste kennt. Als solcher wird er Schritt für Schritt zum „Robin Hood von Punxsutawney“, der eine lange Liste guter Taten absolviert. Er fängt einen Jungen, der vom Baum fällt, wechselt den platten Reifen von drei alten Damen, rettet den Bürgermeister, der an einem Steak zu ersticken droht, lädt einen Obdachlosen zum Essen ein und kauft Kaffee für seine Crew.
Sein Schicksal zu akzeptieren, Spaß an den Spielarten des Lebens zu haben sowie sich wirklich um die Menschen um ihn herum zu kümmern, ist das, was schließlich den Kreislauf durchbricht und ihn am Ende des Films in den Armen seiner neu gefundenen Liebe Rita aufwachen lässt. Endlich ist es der 3. Februar. Ein neues Leben beginnt.
Eine Analyse des Films kommt übrigens zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass Phil Connors seinen Murmeltier-Tag unfassbare 12.395 Mal erlebt haben muss, was in der Summe fast 34 Jahren entspricht.
Wir hoffen natürlich alle, dass die COVID-Pandemie und ihre Wellen nicht solange unser Leben begleitet. Wir hoffen vielmehr, dass wir bald nicht nur den Beginn des Frühlings als eine Zeit der Hoffnung erleben werden, sondern auch, dass unsere Kinder wieder zur Schule gehen, wir Freunde zum Essen und Trinken in Restaurants und Bars treffen können, wieder Fußball spielen, reisen und uns ohne Sorge umarmen können.
Diese Zeit wird kommen. Und zwar so, wie es der spätere, philosophische und poetische Wettermann Phil Connors in seinem TV-Bericht aus Punxsutawney ausdrückte: „Als Tschechow den langen Winter sah, sah er einen trostlosen und dunklen Winter ohne Hoffnung. Wir wissen jedoch, dass der Winter nur ein weiterer Schritt im Lebenszyklus ist.“
Lasst uns also alle zusammen das Beste aus den verbleibenden „Murmeltier-Tagen“ machen. Und zwar, indem wir die drei oben genannten Lebens-Lektionen auf jeden Tag und nach besten Kräften anwenden: Lasst uns akzeptieren, mit der Situation spielen und uns um andere kümmern. Ich bin davon überzeugt, dass wir es damit schaffen werden, die verbleibenden unerwünschten und eintönigen Murmeltier-Epidemie-Tage letztlich bei guter mentaler und physischer Gesundheit zu überstehen.
– Euer Jörg
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