er amerikanische Journalist, James Nestor, und der schwedische Professor für Literaturwissenschaften, Anders Olsson, sind überaus interessante Männer. Das geht schon bei ihrer Selbsttitulierung los, denn sie nennen sich „Pulmonauten“. Ihr Ziel: die Erforschung der menschlichen Atmung zum Zwecke der Verbesserung der körperlichen, geistigen und emotionalen Gesundheit.
Im September 2018 starteten die beiden Männer ein faszinierendes Selbstexperiment, welches von Dr. Jayakar Nayak, einem Forscher an der Stanford University, begleitet wurde.
Der Experiment-Ablauf war sehr einfach: Zehn Tage lang atmeten beide Männer ausschließlich durch den Mund und dann weitere zehn Tage nur durch die Nase. Während des gesamten Experiments führte Dr. Nayak regelmäßige Messungen durch und verfolgte Blutdruck, Pulsfrequenz, Herzfrequenz-Variabilität, Körpertemperatur und pH-Werte seiner Probanden. Außerdem wurde der Schlaf nachts gefilmt, um Schnarchen und eventuelle Schlafapnoe zu dokumentieren.
Bei beiden Männer wurde während der ersten 10 Tage die nasalen Atemwege intern durch Silikon-Stöpsel blockiert was James Nestor als „sehr unangenehm“ beschrieb. Allerdings sollte es „Von hier ab sollte es nur noch schlimmer werden.“
Bevor wir uns mit dem Verlauf sowie den Ergebnissen des Experiments befassen, ist es wichtig anzumerken, dass fast 40 Prozent der heutigen Bevölkerung an chronischer Nasenverstopfung leiden und etwa die Hälfte davon gewohnheitsmäßige Mundatmer sind, wobei Frauen und Kinder am stärksten betroffen sind. Um eines vorwegzunehmen: die negativen gesundheitlichen Auswirkungen der Mundatmung sind enorm.
Mit den blockierten Nasenlöchern nahm Nestors Schnarchen in der ersten Nacht um 1.300 Prozent zu und dauerte insgesamt 75 Minuten. Olssons Ergebnisse waren sogar noch schlimmer: er schnarchte normalerweise gar nicht, nun aber unglaubliche vier Stunden. Darüber hinaus waren bei beiden Teilnehmern Anfälle von Schlafapnoe festzustellen – also Phasen, in denen die Atmung für Sekunden oder sogar Minuten unterbrochen wird oder ganz aussetzt.
Im Laufe der ersten 10 Tage des Experiments wurden die Folgen der Mundatmung immer deutlicher und am Ende hatte sie sowohl die Gesundheit beider Männer stark beeinträchtigt. Messungen zeigten erhöhte Stresshormonwerte, deutlich erhöhten Blutdruck und verringerte Herzfrequenzvariabilität. Beide Männer kämpften außerdem mit Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und einem allgemeinen Gefühl von Schwäche und Erschöpfung, begleitet von Zittern und Übelkeit nach dem dem Sporttreiben. Die Ergebnisse waren, wie Nestor sie beschrieb, „eine absolute Katastrophe“.
Was nun folgte, war die zweite Phase des Experiments, in der die Pulmonauten zur ausschließlichen Nasenatmung wechselten. Und die Veränderung war ebenso dramatisch – wenn auch mit gänzlich anderen Vorzeichen. Denn schon an den ersten Tagen begannen sich die negativen Auswirkungen der reinen Mundatmung umzukehren. Das Schnarchen nahm in der ersten Nacht um etwa 85 Prozent ab und hörte nach nur zwei Nächten vollständig auf. Schlafapnoe-Anfälle verschwanden vollständig. Der Blutdruck sank wieder auf ein gesundes Niveau und beide Männer berichteten, sich energischer, konzentrierter und geistig klarer zu fühlen. Sogar ihre Leistung auf dem Hometrainer im Fitnessstudio verbesserte sich im Laufe des zehntägigen Zeitraums um fast zehn Prozent.
Das Experiment hatte trotz seiner vergleichsweisen kurzen Dauer einen unfassbaren Effekt, demonstrierte es doch eindrucksvoll den großen Unterschied, den das Atmen durch die Nase machen kann. Und das nicht nur in Bezug auf die Verringerung von Schnarchen und Schlafapnoe, sondern auch bei der Wiederherstellung der allgemeinen Gesundheit und des Wohlbefindens.
Die Nasenatmung ist gesünder, da sie die Luft filtert, erwärmt und befeuchtet und so die Lunge vor Reizstoffen und Krankheitserregern schützt. Sie fördert auch eine bessere Sauerstoffaufnahme, indem sie optimale Kohlendioxidwerte aufrechterhält, was die allgemeine Gesundheit der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems verbessert.
Im Anschluss an das Experiment schrieb James Nestor seinen wetlweiten Bestseller „Breath“ (deutsch: „Breath – Atmen“), in dem er bemerkenswerte Geschichten darüber erzählt, wie das Atmen ein gesünderes Leben gestalten kann.
Neben seinem Rat, die Nasenatmung zu maximieren, stach mir ein weiterer wichtiger Vorschlag ins Auge: langsamer und weniger zu atmen.
Im Durchschnitt gelten Menschen als medizinisch „normal“, wenn sie 12–20 Atemzüge pro Minute machen und dabei durchschnittlich etwa einen halben Liter Luft pro Atemzug aufnehmen. Nestor und anderen Atemexperten zufolge sind wir jedoch nicht nur zu einer Kultur der Vielfresser, sondern auch der Viel-Atmer geworden.
Neuere Forschungen und bewährte alte Atemtechniken legen nahe, dass optimales Atmen bei einer Frequenz von etwa 5-6 vollständigen Atemzügen pro Minute erfolgt. Diese viel langsamere, leichtere Atmung unterscheidet sich deutlich von dem, was wir gewohnt sind. Um diese Art der gesunden, langsameren Atmung zu üben, empfiehlt Nestor eine einfache App – (https://pacedbreathing.app/ ).
Ich persönlich habe die App in den vergangenen Wochen sehr häufig verwendet und kann sie nur empfehlen. Die ganze Anwendung kostet keinen Cent und man kann die Atemintervalle genau auf das Ziel von 5,5 Sekunden pro Einatmen und 5,5 Sekunden pro Ausatmen einstellen, wobei die App sanft vibriert, um zu signalisieren, wann ein- und ausgeatmet werden sollen.
Ich habe festgestellt, dass es sich hier um ein wunderbares Werkzeug handelt, das sogar während Videoanrufen verwendet werden kann, wobei das langsamere Atemtempo tief beruhigend wirkt und den Stresspegel deutlich senkt.
Diesen Monat möchte ich dich deshalb dazu einladen, genauer darauf zu achten, wie oft oder viel du durch die Nase atmest. Wenn sich die Nasenatmung zunächst schwierig anfühlt, lass dich nicht entmutigen. Nestor hebt in seinem Buch mehrere Beispiele von Menschen hervor, die ihre Nasenatmungsgewohnheiten erst allmählich und Schritt für Schritt wieder aufbauten – denn, wie er sagt, „was du nicht benutzt, verlierst du.“
Ich möchte dich außerdem ermutigen die App einmal auszuprobieren und langsameres, leichteres Atmen mit der empfohlenen Geschwindigkeit von 5,5 Sekunden pro Ein- und Ausatmen zu üben. Es mag am Anfang sehr herausfordernd erscheinen, aber es ist völlig kostenlos und je mehr du übst, desto ruhiger, klarer und entspannter wirst du dich fühlen.
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