Paul (Name geändert) ist einer meiner Coaching-Klienten – und jemand, der beruflich richtig viel erreicht hat. Sein Karrierestart war schwierig, aber er hat sich durchgebissen und ist heute in einer Führungsposition im internationalen Beratungsgeschäft mit richtig großer Verantwortung – für Menschen, Projekte und Budgets in Millionenhöhe.
Und: Er ist gerade Vater geworden. Er hat eine gute Partnerschaft. Von außen wirkt es, als sei alles rund. Aber wie das manchmal so ist – gerade bei erfolgreichen Menschen – gibt es diese kleinen, stillen Momente. In denen man anfängt, sich zu vergleichen.
Paul hat mir erzählt, dass er abends manchmal durch Social Media scrollt … und dann sieht, was andere so haben. Größere Häuser. Mehr Geld. Den irgendwie noch cooleren Lifestyle. Und obwohl er das gar nicht will, zieht es ihn runter. Er wird unsicher, zweifelt, verliert kurz den Fokus.
Kürzlich wurden diese Gedanken dann intensiver und begannen im Job zu stören sowie Spannungen in seiner Beziehung auszulösen. Als wir in einer unsere Coaching-Sessions darüber sprachen, habe ich ihn an etwas erinnert, das er einmal zu mir gesagt hatte: „Ich will eigentlich gar kein materialistischer Mensch sein.“
Was ihm wirklich wichtig ist: seine Familie. Gute Freundschaften. Zeit für sich. Und echte Erlebnisse – wie die Bergbesteigung mit seinem besten Freund – Nicht das Auto, nicht das Haus, nicht das Konto.
Da wurde es ganz still.
Und dann sagte Paul: „Ja … das sind die Dinge, die mir wirklich wichtig sind. Es ist, als würde ich vom guten Paul zum schlechten Paul werden, wenn ich das vergesse.“
Das war eine sehr ehrliche und sicher nicht einfache Aussage, die uns zu einem spannenden Punkt brachte: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Selbstvertrauen und Selbstwert.
Ich habe dazu einmal meine Interpretation wie folgt zusammengefasst:
- Selbstvertrauen – das ist das Gefühl: „Ich kann das.“ Es entsteht, wenn wir merken, dass wir etwas schaffen – sei es ein schwieriges Gespräch, ein Projekt oder eine sportliche Herausforderung. Es wächst mit unseren Erfahrungen und Erfolgen.
- Selbstwert – das ist tiefer. Das ist die innere Überzeugung: „Ich bin wertvoll – einfach weil ich bin.“ Auch wenn gerade nicht alles gelingt. Auch wenn niemand applaudiert.
Man könnte sagen: Selbstvertrauen entsteht durchs Tun. Selbstwert wurzelt im Sein.
Beides ist wichtig. Aber wenn wir nur auf unser Selbstvertrauen setzen, können wir manchmal leicht die Verbindung zu uns selbst verlieren, sobald etwas mal nicht klappt.
Wenn wir jedoch unseren Selbstwert spüren, können wir auch mit Unsicherheit und Niederlagen anders umgehen – mit mehr Klarheit, mehr innerer Stärke und Ruhe.
Die gute Nachricht ist: Während sich Selbstvertrauen durch das Entwickeln unserer Fähigkeiten und das Erreichen sinnvoller Ziele aufbauen lässt, kann auch Selbstwert gestärkt werden – nur auf eine andere Weise. Und vielleicht ist das sogar für unser Wohlbefinden der wichtigere Punkt. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen dass ein stabiler Selbstwert das Fundament ist, auf dem echtes Selbstvertrauen wachsen kann.
Denn wenn du dich grundsätzlich als wertvoll empfindest – unabhängig von Leistung – dann traust du dir auch mehr zu, gehst gelassener mit Rückschlägen um und musst dich nicht ständig beweisen.
Hier ein paar Impulse, die uns helfen können, Selbstwert zu entwickeln:
- Dankbarkeit als Anker
Schreib dir auf, was du an dir schätzt. Drei kleine Dinge. Je mehr du wertschätzt um so mehr Dinge wirst du haben die du wertschätzen kannst. - Freundlich mit dir selbst sprechen
So, wie du mit einem guten Freund sprechen würdest. Oder mit einem Kind. „Das ist gerade schwer. Ich bin nicht allein. Ich bin für mich da.“ - Leistung nicht zum Maßstab machen
Frag dich mal: „Wäre ich auch ohne Erfolg ein wertvoller Mensch?“ - Aus deinen Werten leben
Was ist dir wirklich wichtig – Liebe, Ehrlichkeit, Abenteuer? Lebe mehr davon. Jeden Tag ein kleines bisschen. - In die Stille gehen
In den Wald. Ins Tagebuch. In Meditation. In ein Buch, das deine Seele berührt. Du musst nichts beweisen. - Hilfe suchen, wenn du fest hängst
Coaching, Therapie, ein gutes Gespräch – alles kann helfen. - Sag es dir laut
„Ich bin okay. Auch wenn ich nichts leiste. Ich bin genug.“
Pauls Geschichte ist eine, in der sich einige von uns wieder erkennen. Unter Druck verlieren wir manchmal den Kontakt zu unseren Werten – und landen in der Vergleichsfalle. Das kann sowohl unserem Selbstvertrauen als auch unserem Selbstwert schaden.
Als Paul sich wieder mit seinen inneren Werten verbunden hat (Punkt 4 oben) – mit den Dingen, die ihm wirklich wichtig sind: seine Familie, Freundschaften, Zeit für sich selbst und gemeinsame Abenteuer – da fand er zurück zu sich.
Er erinnerte sich nicht nur daran, wer er ist, sondern auch daran, was seinem Leben wirklich Sinn gibt. Und das waren ganz sicher nicht materielle Dinge.
Vergleichen? War plötzlich nicht mehr nötig.
Vielleicht erkennst du dich auch ein bisschen in Pauls Geschichte wieder. Wir sind so oft im Außen unterwegs. Müssen etwas sein. Etwas leisten. Etwas darstellen. Dabei vergessen wir: Du bist nicht dein Erfolg. Du bist du.
Denk mal an ein Baby. Oder an ein Haustier. Du hast es nicht gerne, weil es etwas leistet. Du hast es gerne, weil es da ist.
Also – wenn du dich das nächste Mal vergleichst oder an dir zweifelst: Atme. Spür den Boden unter dir. Und sag dir: „Ich bin genug. Jetzt. Genau so!“
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