image source wikipedia – click here
Es war später Nachmittag am 15. Juli dieses Jahres. Ich war gerade nach einem langen Flug in Hongkong gelandet und freute mich darauf, endlich im Hotel etwas Ruhe zu finden. Ich stieg in ein Taxi und wurde sofort von dem nervigen Geräusch des Sicherheitsgurtsignals gestört. Ich hatte meinen bereits angelegt, aber der Fahrer ließ sich Zeit, während er schon losfuhr. Schließlich klickte es, das Geräusch verstummte, und wir machten uns auf den Weg.
Wir fuhren auf der rechten Spur einer dreispurigen Autobahn mit etwa 100 km/h, als ich bemerkte, dass starker Regen auf uns zukam und kurz darauf waren wir schon mitten in einem tropischen Regenguss. Gerade als wir auf einen der vielen Tunnel in Hongkong zusteuerten, verengten sich die drei Spuren auf zwei, und ein Verkehrswächter gab den Autofahrern das Signal, langsamer zu fahren und sich anzupassen. Seltsamerweise reduzierte mein Taxifahrer jedoch nicht die Geschwindigkeit und fuhr einfach weiter.
In einem Sekundenbruchteil wurde mir klar: Vielleicht hatte er die Person vor uns nicht gesehen und wusste nicht, dass wir die Spur wechseln mussten. Plötzlich fand ich mich selbst schreiend wieder, als ich erkannte, was passieren würde. Der Fahrer reagierte schnell, doch es war fast zu spät. Er trat auf die Bremse und scherte in die mittlere Spur ein, wo wir fast ein anderes Auto streiften. Der Regen prasselte weiterhin, die Straße war rutschig, und dann verlor er die Kontrolle. Was folgte, fühlte sich an wie in Zeitlupe.
Wir rutschten direkt auf die Tunnelwand zu, und ich wusste, das wird nicht gut ausgehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit prallten wir gegen die Wand. Die Kollision schleuderte uns zurück, und das Auto stand schließlich in die falsche Richtung, aber zum Glück auf der gesperrten Spur.
Obwohl ich geschockt war, traf mich sofort eine Erkenntnis … ebenso hart wie das Auto die Wand getroffen hatte: Wie schnell sich doch alles ändern kann und wie zerbrechlich das Leben manchmal ist.
Zum Glück blieben sowohl ich als auch der Fahrer unverletzt, aber das Auto war schwer beschädigt, was uns klar wurde als dann wenig später die Polizei eintraf, um die Situation zu übernehmen.
Letztendlich hatten wir Glück im Unglück, doch es dauerte noch weitere 3 Wochen, bis mich ein Gespräch mit meinem Freund und Coach-Kollegen Desmond in Singapur auf eine tiefere Erkenntnis hinwies. Desmond erzählte mir von der Pferdekutschen- oder auch Streitwagen-Metapher aus der Bhagavad Gita, einem alten indischen Text der Lebensweisheit.
Image source & more info – click here
In der Bhagavad Gita steht der Streitwagen (siehe Bild oben) für unseren Körper, während die Pferde unsere fünf Sinne symbolisieren, die uns zu Wünschen und Ablenkungen ziehen. Die Zügel stehen für unser Unterbewusstsein, das unsere Handlungen und Reaktionen steuert. Der Fahrer ist der Verstand, der für das Denken und die Entscheidungsfindung verantwortlich ist. Und schließlich ist der Passagier unser Bewusstsein, die Achtsamkeit, die die ganze Fahrt beobachtet, aber nicht steuert. In manchen Beschreibungen wird der Passagier auch als unsere Seele bezeichnet.
Auf den ersten Blick mag das etwas kompliziert klingen, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es eigentlich eine sehr treffende Art und Weise, wie wir durch unser Leben marschieren. Die fünf Sinne (die Pferde) liefern ständig Informationen. Das Unterbewusstsein (die Zügel) zieht uns in verschiedene Richtungen, und es liegt am Verstand (dem Fahrer), das alles zu ordnen. Oft sind wir so beschäftigt, dass unser Bewusstsein (der Passagier) kaum Zeit hat, zu sehen, wohin dieser chaotische von Pferden gezogene Streitwagen namens Leben überhaupt fährt.
Genau wie im Leben muss der Streitwagen als Ganzes funktionieren. Wenn die Pferde außer Kontrolle geraten oder der Fahrer die Zügel nicht richtig führt, bricht Chaos aus. Genauso war es bei meinem Taxi. Der Fahrer (der Verstand) war unaufmerksam, und wir wären fast verunglückt, weil die Zügel (das Unterbewusstsein) und die Pferde (die Sinne) nicht richtig gesteuert wurden.
Dieser Vorfall war nicht nur ein Beinaheunfall, sondern auch eine Erinnerung daran, wie unsere Sinne und unser Unterbewusstsein uns in bestimmte Richtungen ziehen können, ohne dass wir es merken. Manchmal sind wir so sehr damit beschäftigt, unseren Wünschen nachzujagen oder auf Autopilot zu laufen, dass wir gar nicht bemerken, dass wir die Spur wechseln müssen. Und wenn wir nicht wach und aufmerksam bleiben, kann das zu Unfällen führen … metaphorisch oder buchstäblich.
Die wichtigste Lektion, die ich aus diesem Unfall und der Streitwagen-Metapher gezogen habe, ist diese: Wir müssen wach und bewusst im Passagiersitz unseres Lebens bleiben. Unsere Sinne und unser Unterbewusstsein können uns in eine Richtung treiben, aber unser Bewusstsein hat die Fähigkeit, zu beobachten und uns beim Lenken zu helfen. Nur wenn wir uns dessen bewusst sind, wohin unser Leben geht, können wir die notwendigen Anpassungen vornehmen, um Kollisionen zu vermeiden und in die richtige Richtung weiterzufahren.
Also, bleib wach, bleib bewusst und lenke dein Leben mit klarem Blick.
P.S.: Eine kleine Anekdote am Rande: Nachdem die Polizei eingetroffen war, fragte mich der Taxifahrer, ob er mir die Fahrt noch berechnen könne – und zeigte auf sein nun kaputtes Taxi. Ich bezahlte natürlich und dachte mir, na ja, zumindest saß er jetzt wieder verlässlich am Ruder … 😊.
Leave a Reply