Vor jetzt ziemlich genau fünf Jahren hatte es mich erwischt: hohes Fieber zwang mich gleich mehrere Tage im Bett zu bleiben. Ich war völlig entkräftet und wundere mich ehrlich gesagt noch heute – angesichts meines Arbeitspensums und dem Druck den ich mir selbst konstant auferlegte – dass dieser „Zusammenbruch“ nicht schon deutlich früher passiert war.
Ich hatte in dieser Periode meines Lebens einen anspruchsvollen „Tagesjob“; leitete die Supply-Chain der komplexen Geschäftslinie „Hautpflege“ von „Procter & Gamble“. Darüber hinaus absolvierte ich im Rahmen einer „Coaching-Ausbildung“ Online-Kurse, die nicht nur zu extremen Tageszeiten wie 5 Uhr morgens oder 11 Uhr abends stattfanden, sondern mir auch etwa 100 Praxis-Stunden abverlangten.
Das Ganze erinnerte an einen Jongleur im Chinesischen Staatszirkus. Ein Dutzend Teller mussten immer wieder angeschoben werden, um nicht herabzustürzen. An Freizeit, Erholung und viel Schlaf war dabei nicht mehr zu denken. Irgendwann drückte mein Körper den Alarm-Knopf. Stopp!!!
Ich und mein System kollabierten und es blieb nicht aus, dies auch meiner Mentorin mitzuteilen. Als Reaktion erwartete ich einen weiteren Eintrag in meine sowieso schon lange „To-Do-Liste“. Doch was kam, war … eine Frage: „Kennst du den Film „Forrest Gump?“.
„Natürlich“.
„Und an was erinnerst du dich dabei?“
Vor meinem inneren Auge lief die Story herunter: der junge Protagonist, der von seiner Mutter zugerufen bekommt: „Lauf Forrest, Lauf“, Forrest im Vietnam-Krieg, Forrest als Kapitän eines Krabbenkutters, als Tischtennis-Weltmeister und natürlich der immer wiederkehrende Satz „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel – man weiß nie, was man bekommt“.
War das die Message? Hatte ich zu viele Pralinen in meine Schachtel gepackt? Und war mein Kollaps daher vorhersehbar und „verdient“? Das musste es sein, was mir meine Trainerin versuchte mitzuteilen. Aber ich lag falsch.
Statt Bezug auf den zentralen Leitsatz des Filmes zu nehmen, begann sie den Anfang und das Ende des Films nachzuerzählen: sie erinnerte mich an die weiße Feder die durch den blauen Himmel schwebt, während ein Piano den inspirierenden musikalischen Hintergrund malt.
Dazu erklärte sie: „Für mich ist die Feder die erfolgreiche Kombination von echter Akzeptanz und positiver Entschlossenheit – genau so wie Forrest-Gump sein Leben gelebt hat. Von nun an möchte ich dass du einmal pro Woche einen Forrest-Gump-Tag einlegst!“
„Was ist ein Forrest-Gump-Tag?“ fragte ich verwirrt.
„An einem Forrest-Gump-Tag wachst du am Morgen auf und schwebst danach wie eine Feder durch den Tag. Es gibt keine Zeitpläne, keine Termine, keine To-Do-Listen und keine Verpflichtungen. Probiere es aus und wir werden sehen ob Dein Leben damit wieder auf den richtigen Kurs kommt.“
Was für eine lächerliche Herausforderung dachte ich, und begann trotzdem gleich am nächsten Sonntag alle Arbeits-Emails sowie Coaching-Sitzungen, Hausaufgaben und normalen Sonntagsverpflichtungen liegen zu lassen.
Ich erwachte mit einem anfänglichen unangenehmen Gefühl, nichts zu tun zu haben. Aber ich begann mutig zu „schweben“, indem ich ein wundervolles Frühstück mit der Lektüre meiner Lieblings-Fußballzeitung garnierte, danach einen erfrischenden langen Spaziergang machte, einen Mittagsschlaf folgen ließ und den Nachmittag mit Lesen und Nichtstun genoss. Der Tag endete mit einem Film, den ich zusammen mit einem wirklich guten Freund schaute.
Am nächsten Morgen erwartete mich nicht wie sonst der übliche „Blue Monday“, der Kater nach dem Wochenende. Vielmehr fühlte ich mich erstmals nach langer Zeit außerordentlich ausgeruht, mit Energie aufgeladen und bereit voller Elan in die neue Arbeitswoche zu starten.
In den nächsten Wochen zelebrierte ich meinen Forrest-Gump-Tag mit absoluter Hingabe und war mehr und mehr überrascht, wie ich nicht nur mit leichter Hand mein Arbeitspensum absolvierte sondern auch noch deutlich schneller als vorgesehen in meiner Coaching-Ausbildung vorankam. Ich war allgemein weniger gestresst und während meiner Arbeitstage viel positiver und leistungsbereiter.
Damals erschien mir das als wundervolle Erkenntnis, heute weiß ich, dass zahlreiche Studien beweisen, dass jeder Mensch seine „kreativen Pausen“ braucht, um zu regenerieren und danach sein Arbeit effektiver, in höherer Qualität und in kürzerer Zeit zu erledigen.
Mittlerweile bin ich von meiner festen Anstellung in die Selbstständigkeit gewechselt. Damit ist nun jeder Tag ein potentieller Arbeitstag und manchmal ist es wirklich fast unrealistisch sich einen ganzen Tag in der Woche von der „Arbeit“ zu entfernen.
Aus meinem Forrest-Gump-Tag ist so ein halber Forrest-Gump-Sonntag geworden, den ich mir allerdings unter gar keinen Umständen nehmen lasse. Ich gönne mir diesen Vormittag jede Woche, verlasse morgens das Haus, trinke einen Kaffee und mache einen langen Spaziergang. Es fühlt sich ehrlich gesagt immer noch so an, als schwebe ich wie die besagte „weiße Feder durch einen wolkenlosen Himmel.“ Und jedes Mal komme ich erfrischt und mit neuen Ideen zurück.
Genau wie mich mein Coach vor fünf Jahren herausgefordert hat einen neuen Weg zu beschreiten, so will ich auch Dich inspirieren es einmal aus zu probieren. Nehme dir deine eigene Forrest-Gump-Zeit, damit auch Du wieder schwebst, Dinge leichthändig machst und du deine Arbeit und deine Freizeit genießen kannst ohne ständig ein Tonnengewicht aus Terminen, Verpflichtungen und unerledigten Aufgaben auf den Schultern zu spüren.
Die Forrest-Gump-Zeit muss man planen und dann auch diszipliniert einhalten. Es ist nicht so leicht seine eingetretenen Pfade zu verlassen und Gewohnheiten umzupolen. Die Forrest-Gump-Zeit kann 10 Minuten am Tag, mehrere Einzelstunden in der Woche oder sogar ein ganzer Tag jeden Monat sein.
Lege für dich fest wie lange und wann du „schweben“ möchtest.
Und dann probiere es doch einfach einmal aus und versuche dies in den nächsten 30 Tagen regelmäßig durchzuhalten. Der Effekt wird Dich überraschen.
Und vielleicht wirst Du mit dieser fast unmerklichen Veränderung so erfolgreich wie Forrest Gump werden und ähnlich wie er bis ins Weiße Haus marschieren.
Viel Spaß beim Schweben!
Euer Jörg
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