Ein Mann namens Eric sitzt in einem, von Glaswänden eingerahmten Büro. Er ist ebenso gelangweilt wie verwirrt und scheint mit zunehmender Hoffnungslosigkeit auf seine Existenz zu blicken. Er ist Buchhalter, der in der Mitte seines Lebens in einem Job angekommen ist, der ihn zum Einschlafen bringt. Seine Frau wiederum startet gerade richtig durch in ihrer Karriere. Sie ist Kommunalpolitikerin und daher immer seltener für Eric da. Darüber hinaus zeigt der halbwüchsige Sohn, dem Vater die kalte Schulter. Und so fragt sich Eric zu Recht, worum es in seinem Leben eigentlich noch geht. Einzig der abendliche Gang ins örtliche Schwimmbad vermag es noch, ihn halbwegs mit seiner existenziellen Midlife-Crisis zu versöhnen.
Mit dieser Szenerie beginnt die englische Komödie „Swimming with Men“ (dt.: Schwimmen mit Männern).
Es ist klar, dass das dieses Bild die Ouvertüre zu einer Transformation ist. Und so verwundert es kaum, dass Eric schon bald seine Frau mit ihrem Chef, bei einem Glas Wein in seinem Wohnzimmer sitzend, „erwischt“. Eric entscheidet sich Hals über Kopf auszuziehen und steuert nun unaufhaltsam seinem Niedergang entgegen. Dieser wird sehr anschaulich in Szene gesetzt, als er sich im Schwimmbad bei einem seiner abendlichen Bahnen auf den Beckenboden sinken lässt, um dem ganzen Schlamassel ein Ende zu bereiten. Just in diesem Augenblick entdeckt er eine Gruppe von Männern, die ebenfalls unter Wasser, sich an den Händen haltend, seltsame Bewegungen und Choreografien vollführen.
Als er wenig später aus dem Pool entsteigt, sieht er, wie die Gruppe versucht im Wasser eine „schwebende Figur“ zusammenzusetzen, während die Männer gegenseitig ihre Füße halten. Mit einem beiläufigen Kommentar merkt Eric an, dass diese Figur niemals mit einer ungeraden Zahl von Teilnehmern funktionieren würde.
Das beeindruckt die ein wenig seltsame anmutende Männergruppe ungemein. Sie scheinen zu spüren, dass Eric eine gute Ergänzung sein könnte. Er kann helfen … und gleichzeitig selbst Hilfe gebrauchen. Mit dem Satz „Wir hatten alle unseren Moment am Grunde des Pools …!“ lassen sie ihn spüren, dass sie um seine Situation wissen und laden ihn ein, ihrem exklusiven Synchronschwimmclub beizutreten. Obwohl Eric besorgt ist und nicht genau weiß, worum es geht, willigt er ein mitzumachen, da es sonst ja gerade auch nicht viel für ihn zu tun gibt.
Sein neuer Synchronschwimmverein hat strenge Regeln, unter anderem: „Sprich nicht über den Verein!“, oder „Was im Pool passiert, bleibt im Pool“ und „Wir sind nur so stark wie das schwächste Mitglied und das ist stark genug.“ Alles Parodien auf Sprüche, mit anderen Zusammenhängen. Und trotzdem artikulieren sie den tieferen Zweck des Zusammenhalts der Truppe, die „gegen die Sinnlosigkeit des Lebens kämpft, … versucht, die Welt zu vergessen … und gegen die Tyrannei des Alterns aufbegehrt“.
Eric lernt schnell den „Schneebesen“, die „welkende Blume“ und andere magische Figuren des Synchronschwimmens und beginnt, die Gruppe, mit ihrer enormen Vielfalt an persönlichen Themen zu schätzen. Da ist zum Beispiel Ted, ein sensibler Witwer. Oder Luke, ein frisch geschiedener Immobilienmakler, der in Susan verliebt ist, die wiederum der Star der örtlichen Synchronschwimmerinnen ist. Dann gibt es noch Tom, einen jungen Mann, der ständig Ärger mit der Polizei hat, und Kurt, der Zahnarzt und Zyniker der Mannschaft. Colin ist auch dabei, ein gescheiterter Fußballer des Londoner Fußballklubs Crystal Palace, der mit verborgenen Ängsten zu kämpfen hat. Sie alle sind gute, gewöhnliche Menschen, mit alltäglichen und allzu menschlichen Problemen.
Im weiteren Verlauf des Films entfaltet sich die Geschichte von engen Freundschaften und wie diese menschlichen Beziehungen helfen können, selbst die schwierigsten Krisen zu überwinden. Das Ganze ist ebenso komisch wie herzerwärmend. Die seltsamen Choreografien der Feierabend-Synchronschwimmer werden dabei zu einer Metapher für die Herausforderungen des Lebens, während sich die Männer als „Nationalspieler“ auf eine Weltmeisterschaft vorbereiten und den Versuch starten, Erics Ehefrau zurückgewinnen.
Ohne das Ende des Films zu verraten, fragst du dich vielleicht, warum ich diese ungewöhnliche Geschichte über Männer beim Synchronschwimmen erzähle.
Ich glaube, dass hinter dem Film eine tiefere Bedeutung steckt, da die Truppe ja auf eine sehr einzigartige Weise versucht, die Probleme des Lebens gemeinsam zu bekämpfen. Es unterstreicht die Bedeutung menschlicher Solidarität, sozialer Verbindungen und tiefer, bedeutungsvoller Freundschaften.
Auch ich selbst bin, „Dank“ COVID, Teil einer ähnlichen Gruppe geworden. Wir schwimmen nicht, sondern sitzen zusammen, obwohl das so richtig auch wieder nicht stimmt. Vielmehr ist es so, dass wir jeden Samstagmorgen um 6 Uhr zu einem Zoom-Call zusammenkommen, um gemeinsam zu meditieren. Tony und John sind da und wir haben auch Emma in der Gruppe. Im Laufe der Jahre hat mir diese „Online-Zusammenkunft“, durch einige schwierige Zeiten geholfen. Sie bot und bietet mir einen sicheren Raum, in dem wir teilen was für uns gerade gut läuft aber auch was nicht so gut. Wir lachen dabei viel über uns selbst und auch wenn wir keine absonderlichen Figuren in einem Pool erschaffen, stützen wir uns irgendwie gegenseitig. Auch für uns gilt das Motto der Synchronschwimmer „Wir sind so stark wie das schwächste Mitglied, und das ist stark genug.“ Die Gruppe ist so für mich zu einer wunderbaren Basis der Unterstützung geworden.
Meine Frage an dich ist heute einfach: Was ist für dich das Äquivalent zu „Schwimmen mit Männern“ (oder Frauen)? Wo kannst du dich fallen lassen und so akzeptiert werden, wie du wirklich bist? Wo kannst du „laut denken“, darüber was wirklich gerade in deinem Leben vor sich geht? Ich glaube, dass wir alle ein paar starke Verbindungen gebrauchen können, die manchmal ein dringend benötigtes Sicherheitsnetz bieten. Arbeite weiter an diesen freundschaftlichen Bindungen und pflege sie, denn genau wie die komplizierten Figuren unserer Synchronschwimmer erfordern sie ständiges Stemmen, Stützen und Halten. Paddel weiter und achte darauf, dass du es nicht allein tust!
Jörg
P.S. Der Film „Swimming with Men“ basiert auf der wahren Geschichte einer Gruppe von Männern in Stockholm, die einen wöchentlichen Synchronschwimmclub gründeten um dem Alltagstrott von Arbeit und Familienpflichten zu entfliehen und gleichzeitig „die Kunst 40. zu werden“ zu meistern. https://www.pbs.org/independentlens/documentaries/men-who-swim/
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