Es war einmal ein Kleinunternehmer, der sich einem Kredithai ausgeliefert und bei ihm große Schulden gemacht hatte. Mit jedem weiteren Monat türmten sich die Zinsen und durch die Last der Raten drohte er alles zu verlieren, was er sich bis dahin so hart erarbeitet hatte.
Um sein Schicksal doch noch abzuwenden, macht er sich auf den Weg zu seinem Gläubiger, um von ihm einen Schuldenerlass zu erbitten. Der Kredithai, ein alter, böser und wohl auch ziemlich unansehnlicher Mann war allerdings ein rechter Halsabschneider und hatte vor allem die entzückende, kluge und schöne Tochter seines Schuldners im Sinn.
Und weil ihm die Ausweglosigkeit seines Kreditnehmers ganz offensichtlich war, hielt er mit seinem Angebot auch gar nicht lange hinterm Berg. „Ich bin froh Dich von deiner Bürde zu befreien, wenn du mir nur Deine Tochter zur Frau gibst.“ Gar keine Freude wollte allerdings bei unserem Geschäftsmann aufkommen. Am Boden zerstört ob des unmoralischen Angebots fragte er, ob es nicht noch eine andere Lösung für diese für alle so pikante Situation geben könne. „Nun“, sagte der Wucherer, dem die Hilflosigkeit seines Kreditnehmers anfing Spaß zu machen. „Wir können das Ganze auch mittels eines Spiels entscheiden und sehen, ob das Glück auf Deiner Seite ist. Komm morgen Nachmittag mit Deiner Tochter zu mir nach Hause.“
Der Geschäftsinhaber wusste erst nicht, wie er seiner Tochter beibringen sollte, dass sie nun Gegenstand eines Glücksspiels werden sollte, fasste sich letztlich aber doch ein Herz und sprach mit ihr. Die Tochter war sehr klug und beruhigte ihn. „Wir werden eine Lösung finden, Vater.“ Denn statt in Hoffnungslosigkeit zu verfallen, neigte sie eher dazu den Ausweg auch aus schwierigen Situationen zu überlegen.
Am nächsten Tag trafen Vater und Tochter in dessen Garten auf den Kredithai. Und der machte gar nicht viel Federlesen und sagte: „Ich werde zwei Kieselsteine in eine Tüte stecken. Einer ist weiß der andere schwarz. Deine Tochter wird dann hineingreifen und einen der Steinchen hervorziehen. Ist er schwarz sind deine Schulden getilgt, Deine Tochter gehört aber mir. Ist er weiß, seid ihr beide befreit von jeder Schuld bei mir.“
Der Kredithai bückte sich und hob zwei Kieselsteine auf. Die Tochter allerdings bemerkte, wie der garstige Wucherer zwei schwarze Kiesel nahm, worauf sie erst einmal sehr geschockt auf die jetzt geradezu hoffnungslose Situation reagierte. Doch wie schon oftmals zuvor kam ihr ihr kühler Verstand zu Hilfe und so dachte sie die ihr zur Verfügung stehenden Optionen durch.
- Option: „Ich könnte es ablehnen, überhaupt einen Kieselstein aus der Tüte zu holen, aber das würde die Kreditsituation meines Vaters nicht lösen.
- Option: „Ich könnte beide Kieselsteine aus der Tüte holen und den alten Ausbeuter des Schummelns überführen. Das könnte die Sache am Ende allerdings noch schlimmer machen.“
- Option: „Oder … ich nehme den unvermeidlich schwarzen Kieselstein und opfere mich für die Freiheit meines Vaters und meiner Familie.“
Was also wird unsere Heldin in dieser Geschichte tun? Warst Du, werter Leser, werte Leserin schon jemals in einer solchen Situation, in der jede naheliegende Option inakzeptabel war? Wo es buchstäblich keine Möglichkeit mehr gab „lebendig“ zu entkommen, ganz so, als würde jemand eine Waffe an Deinen Kopf halten? Wie reagierst Du persönlich in solchen Situationen? Bekommst du Panik? Versuchst du zu wegzurennen? Erstarrst du zur Salzsäule oder gibst du auf?
Wie auch immer, die Tochter unseres verzweifelten Kreditnehmers zeigt uns, wie sie ihren und den Kopf ihres Vaters aus der Schlinge zog: Zunächst erbat sie ein wenig Bedenkzeit: „Bitte geben Sie mir einen Moment Zeit, um meine Nerven in den Griff zu bekommen. Immerhin handelt es sich hier um die folgenschwerste Entscheidung meines Lebens.“ Dann lief sie los und trotz der rasenden Gedanken gelang es ihr, tief durchzuatmen und sich wieder zu beruhigen. „Es muss noch eine weitere Lösung geben“, dachte sie. Sie weigerte sich einfach so aufzugeben. Und dann tatsächlich: als sie auf den mit Kieselsteinen übersäten Gartenweg schaute, erlebte sie den einen, den rettenden Geistesblitz.
Ganz erleichtert ging sie nun zurück zum Kredithai und zog einen der beiden schwarzen Kieselsteine aus der Tüte. Aber bevor sie alle sehen konnten, welche Farbe der Stein hatte, fiel er ihr „versehentlich“ in die Mitte aller anderen Kieselsteine auf dem Boden. „Oh, wie ungeschickt von mir. Aber am Ende wohl nicht so schlimm. Denn wenn Sie in ihre Tüte schauen, ist da ja noch der andere Kiesel und der wird Ihnen verraten, welchen Stein ich ausgewählt hatte.“
Der Kredithai war am Ende also doch noch überlistet worden, denn für alle offensichtlich war der in der Tüte verbliebene Stein schwarz. Der Geldschneider wollte sich natürlich auf gar keinen Fall des Betruges überführt sehen und biss in den sauren Apfel seinen Schuldner aus den Schulden zu entlassen und darüber hinaus auch noch auf die Tochter zu verzichten.
Mit kühlem Kopf hat die kluge, junge Frau die eine Lösung gefunden, sich und ihren Vater zu retten. Und deshalb ist das auch meine Herausforderung zu Beginn dieses Jahres an Euch: Falls Du gerade vor einer scheinbar hoffnungslosen Situation stehst, erinnere Dich an Tochter und die beiden schwarzen Kieselsteine.
Atme durch. Gehe auf einem Weg voller Kieselsteine spazieren. Schlaf. Gehe ins Fitnessstudio. Spreche mit einem Freund. Tu alles, um die hoffnungslosen Gedanken zu besiegen und dem wunderbaren Verstand neue und kreative Lösungen zu ermöglichen.
Ich denke, Ihr werdet schnell feststellen, dass es weitaus mehr Möglichkeiten gibt, aus schwierigen Situationen herauszukommen, als wir uns auf den ersten Blick vorstellen können. Alles, was wir tun müssen, ist uns auf Möglichkeiten und Chancen und nicht auf die Hoffnungslosigkeit einer Situation zu konzentrieren. Gebt Eurem kreativen Genie eine Chance, den Weg nach vorne zu entwickeln.
In diesem Sinne wünsche ich Euch noch nachträglich ein frohes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2020!
Euer Jörg
Felix Nawroth says
Sehr schön beschrieben. Auch wenn es in dem Moment schwer zu glauben ist, gibt es immer einen Ausweg aus der Situation.
Dabei hilft es daran zu denken, eine Krise ist nicht gleich eine Katastrophe:
https://fachkraftmangel.io/blog/eine-krise-ist-nicht-gleich-eine-katastrophe/
Joerg Kuehn says
Absolut Felix!
Dir & Euch weiterhin Alles Gute fuer den Start!
Cheerio
Joerg